EFQM nimmt neuen Anlauf in Deutschland

Am 2. Oktober 2024 stellte sich der Vorstand der EFQM Deutschland in Düsseldorf vor. Thomas Bäuerle, Norbert Kohlscheen, Michael Teubenbacher und Russel Longmuir erklärten, warum sich die European Foundation for Quality Management nun insbesondere in Deutschland engagieren will.
Auf dem Gelände des LVR Universitäts-Klinikums Düsseldorf fanden sich zahlreiche EFQM-Vertreter, EFQM-Assessoren und Anwender des EFQM-Modells ein, um sich über die jüngsten Entwicklungen des EFQM-Modells zu informieren. Das Auditorium war bunt gemischt und reichte von Führungskräften der Industrie bis zu Leiterinnen der Agentur für Arbeit.
Russel Longmuir, CEO der European Foundation for Quality Management (EFQM), klärte über die Motive für die Gründung einer deutschen Organisation innerhalb der EFQM auf: „Deutschland ist wichtig für die EFQM, aber deutsche Unternehmen nutzen das EFQM-Modell noch zu wenig“ Deutsche Unternehmer, insbesondere KMU, seien schwer von den Vorteilen des EFQM-Ansatzes zu überzeugen. Sie fokussierten eher auf Probleme, denn auf Lösungen und Chancen. In anderen Ländern der Welt sei das völlig anders: „Von China über den asiatischen Raum bis nach Mexiko sind die Menschen hungrig nach Ideen und Ansätzen, die den unternehmerischen Erfolg ermöglichen.“

Dr. Thomas Bäuerle, Norbert Kohlscheen und Michael Teubenbacher bilden den Vorstand der EFQM Deutschland, © QZ / Thomas Funck

Neuerungen im EFQM-Modell

Die Vorstände der EFQM Deutschland wiesen auf die Neuerungen des EFQM-Modells 2025 hin. Auffälligstes Merkmal ist die Verschlankung des Bewertungsverfahrens auf „Recognized for Excellence“, hier können bis zu acht Sterne erreicht werden. Zum Vergleich: Reife Unternehmen wie das mexikanische BWM-Werk San Luis Potosi erreichen aktuell sechs Sterne.
Neu ist auch ein Bewertungsansatz, der eine schnelle und eine umfassende Unternehmensbewertung anbietet:
  • Der „Rapid Review“ sieht eine Analyse über zwei Tag vor, in denen die Leistung eines Unternehmens von erfahrenen EFQM-Assessoren beurteilt wird. Ein Feedback Report wird erstellt und eine Auszeichnung von ein oder zwei Sternen ist für den Einstieg möglich.
  • Der „Advanced Review“ erstreckt sich über vier bis sechs Monate, in denen die Stärken und Schwächen einer Organisation ergründet werden. Hier gehen die Assessoren auf die Ebene der Teilkriterien des EFQM-Modells, um ein vollständiges Bild vom Status einer Organisation zu zeichnen. Theoretisch ist es möglich, 1.000 Punkte zu erreichen, was acht Sternen entspricht. In der langen EFQM-Praxis wurden aber bisher nie weit über 800 Punkte erreicht.

Anspruch und Leistungen der EFQM Deutschland

Der Anspruch der EFQM Deutschland ist hoch: Man will den Organisationen helfen, die Transformation zu gestalten und zu steuern. Letztlich auch dabei, die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Das EFQM-Modell bietet eine gemeinsame Sprache, mit der sich der Reifegrad eines Unternehmens beschreiben und verstehen lässt. Dank einer großen Datenbasis (Assess Base) von bewerteten Unternehmen ist ein Benchmarking möglich, Organisationen können sich mit den Besten einer Branche vergleichen. 250 Datenpunkte stehen pro Assessment zur Verfügung.
Thomas Bäuerle machte darauf aufmerksam, dass die Selbsteinschätzung (Self Assessment) deutlich von der Realität abweicht: „Unsere Auswertung ergab, dass sich Organisationen durchschnittlich um 25 Prozent besser einschätzen, als sie tatsächlich sind.“ Und Norbert Kohlscheen ergänzte: „Organisationen, die schnell lernen und sich anpassen, haben langfristig die Nase vorne.“
Ein wichtiges Anliegen (und ein Geschäftsfeld) der EFQM Deutschland ist das Training, die Qualifizierung von Assessoren. Nur über qualifizierte EFQM-Assessoren könne gewährleistet werden, dass die Bausteine des Modells verstanden und korrekt bewertet werden. Neu ist in diesem Kontext eine Prüfung, die nach einem absolvierten Trainingsprogramm abgelegt werden muss. Norbert Kohlscheen wies darauf hin, dass die Trainings auf den Bedarf einer Organisation zugeschnitten werden, egal auf welchem Reifegrad dieses steht: „Der EFQM-Ansatz ist auch für Startups geeignet. Wir wollen Excellence-Gründungen, nicht nur Existenz-Gründungen!“

LVR-Klinikum Düsseldorf auf EFQM-Pfad

Einen Einblick in den EFQM-Weg des LVR-Klinikums Düsseldorf gab deren kaufmännische Direktorin, Jane Splett. Der LVR Kinikverband wurde 1974 gegründet, zählt heute über 1.100 Mitarbeiter und behandelt etwa 19.000 Patienten pro Jahr. Bereits im Jahr 2000 wurde das EFQM-Modell als QM-System eingeführt, doch noch in 2004 wurde das LVR nach KTQ zertifiziert. „Das entsprach zwar der Forderung des Gesetzgebers, führte aber nicht zur Weiterentwicklung des LVR,“ so Splett.
Das EFQM-Modell hatte jedoch den Nachteil, dass es auf Industrieunternehmen zugeschnitten und nicht auf die spezifischen Bedarfe einer Klinik anwendbar war. Splett erklärte: „Der Versuch, die EFQM-Kriterien auf eine Klinik für psychisch Kranke anzuwenden, scheiterte damals.“ Der Durchbruch kam mit der Entwicklung einer Qualitäts-Matrix auf Basis des EFQM-Modells, die sich aber an den Kunden des LVR orientiert, also an den Patienten.
Heute sind vierzig Mitarbeiter im EFQM-Modell geschult, so ist Selbstbewertung und der Austausch zwischen den Kliniken im LVR möglich. Stolz ist Jane Splett auf das selbst entwickelte Strategie-Handbuch „Für seelische Gesundheit“. Und sie gab einen wichtigen Tipp: „Starten Sie nach der Selbstbewertung maximal drei Verbesserungsprojekte!“ Diese werden ausgeschrieben und Mitarbeiter des LVR können sich freiwillig daran beteiligen. Das große Ziel: Alle Kliniken im LVR-Verbund sollen bis 2028 das EFQM-Modell nutzen.

6 Sterne für BMW-Werk San Luis Posoti

Das mexikanische Werk zählt zu den Jüngsten innerhalb der BMW Group. Seit 2020 werden dort Fahrzeuge der 2er- und 3er-Reihe gebaut. Harald Gottsche, CEO des BMW-Werks San Luis Potosí, wies darauf hin, dass das Durchschnittsalter der Mitarbeiter nur 32 Jahre beträgt und der Anteil an Frauen bei 35 Prozent liegt. Bereits 20 Prozent der Führungskräfte seien weiblich.
Das Werk wurde schon in der Planungsphase nach EFQM-Kriterien konzipiert, erklärte Gottsche: „Eine nachhaltige Produktion war uns an diesem Standort besonders wichtig, insbesondere der sparsame Umgang mit der knappen Ressource Wasser.“ Heute werden 20 Prozent des Brauchwassers recycelt und auch mit Energie versorgt man sich zum Teil über Solarstrom selbst.
Für 2026 ist ein eigenes Batteriewerk geplant, mit dem dann E-Autos ausgerüstet werden, die ab 2027 vom Band rollen sollen. Besonders wichtig ist Gottsche das soziale Engagement am Standort: „Bildung ist in den armen Schichten ein Problem und so haben wir den Club de Ninos gegründet. Dieser befindet sich am Standort und wird von unseren Mitarbeitern betrieben.“ Generell sei die Einbindung der Mitarbeiter in EFQM-Verbesserungsprojekte ein Schlüssel zum Erfolg. Im San Luis Posoti gibt es zwei ausgebildete Assessoren, die auch Mitarbeiter im EFQM-Modell trainieren. Aktuell ist der Standort mit sechs Sternen unterwegs auf der Straße zur Excellence.

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